Telemedizin: Fluch oder Segen?

Covid, Lockdown und Homeoffice haben die tiermedizinische Landschaft in 2020 verändert. Während in Deutschland durch gesetzliche Hindernisse noch deutliche Einschränkungen für die Telemedizin bestehen, ist die „Ferndiagnose und -beratung“ weltweit auf dem Vormarsch. 

Die Telemedizin hat viele Vorteile, auch ohne den Begleitgeschmack von Corona. Ein Tierarztbesuch mit „allen Sinnen“ sollte aber niemals komplett digital ersetzt werden. In der Tiermedizin sind wir noch deutlich mehr als in der Humanmedizin auf Abtasten, Riechen und das Wahrnehmen der Mimik eines Tieres angewiesen. Ohne dies wird es uns nicht gelingen zu verstehen, wie ein Tier sich fühlt. Anders als der Mensch, muss uns das Tier auf anderem Wege „sagen“, wie es ihm geht.

Demnach wird der analoge Tierarzt auch zukünftig immer die wichtigste Basis für eine gute Veterinärpraxis sein!

 

Die räumliche Distanz zum Tierarzt für spezielle Anliegen, wie zum Beispiel einer Zweitmeinung, ist bei der Telemedizin kein Hindernis mehr. Ein Videochat erweitert die zuvor bereits bestehende Möglichkeit zur Fernberatung via Telefon (laut GOT) durch die visuelle Qualität erheblich. Die notwendige Technik spielt hierbei allerdings eine entscheidende Rolle. Diesbezüglich können wir vermutlich noch auf eine deutliche Verbesserung für die kommende Zeit hoffen. Die Qualität muss selbstverständlich auf beiden Seiten bestehen: beim Tierarzt und Patientenbesitzer.

 

Neben dem klassischen Distanzproblem schafft die Telemedizin aber auch an anderer Stelle erhebliche Abhilfe: Viele Menschen sind aufgrund körperlicher Einschränkungen (Behinderung, Alter, akute Krankheit und Sozialphobien) nicht in der Lage, den Tierarzt analog zu besuchen oder zumindest nicht in der notwendigen Häufigkeit. Zur Klärung, inwieweit ein direkter Besuch oder auch Hausbesuch notwendig wäre, vor allem in punkto Schnelligkeit, kann die Telemedizin mit Sicherheit einen großen, positiven Beitrag leisten.

Das betrifft genauso kurze Anfragen und Nachkontrollen, die lediglich das allgemeine Befinden betreffen und trotzdem einen Blick auf den Gesamtzustand der Tiere, inklusive deren Bewegungsabläufe, erlauben. Solche bedürfen häufig nicht zwingend die Vor-Ort Kontrolle. Hiervon ist insbesondere die Verhaltensberatung betroffen. So kann man sich schon vor dem Direktkontakt einen umfangreichen Überblick über die Lage verschaffen. 

Besonders bei Angstpatienten, die man nun in der vertrauten Umgebung beobachten und ihren Gesundheitszustand weit besser einschätzen kann, profitieren von der Telemedizin. Viele Tiere zeigen in der Praxis aufgrund von Angst oder Übelkeit, beispielsweise durch die Anfahrt, Symptome für Schmerzhaftigkeit. Oft können Besitzer dies zuhause gar nicht wahrnehmen. Der „digitale Einblick ins Wohnzimmer“ kann dabei helfen, die Lage besser einzuschätzen und unnötige Medikation zu vermeiden. Krankheitstypische Symptome könnten ohne die Beimischung von Stress überhaupt erst richtig erkannt werden.

 

Die digitalen Termine, auch neben den Sprechzeiten, erlauben eine bessere Zeiteinteilung sowohl für die Besitzer als auch für den Tierarzt.

Vielleicht ergeben sich zeitnah neue gesetzliche Möglichkeiten sowohl zur vollständigen Nutzung als auch zum Schutz vor Missbrauch der Telemedizin. Dann können wir auf eine sinnhafte, digitale Ergänzung der Praxisuntersuchung und eine damit verbundene, bessere, medizinische Versorgung unserer Haustiere hoffen.